Ein Skandal und immer noch keine Entscheidung

von Rechtsanwalt Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg

Prozess um Geiselhöringer Wahlfälschung nimmt nach fast fünfmonatiger Pause neuen Anlauf...

Von Simon Kunert, Straubinger Tagblatt vom Donnerstag 14. März 2019

Am morgigen Freitag wird am Landgericht Regensburg der Prozess um die Geiselhöringer Wahlfälschung fortgesetzt. Bis zum 24. Mai sind 14 Verhandlungstage vorgesehen. Elf Zeugen und ein Sachverständiger stehen auf der vorläufigen Planung. Ob sie wirklich aussagen müssen, ist unklar.

Darum geht es: Bei der Bürgermeister-, Stadtrats- und Kreistagswahl 2014 in Geiselhöring und dem Landkreis Straubing-Bogen werden Unregelmäßigkeiten festgestellt. Geiselhöringer Briefwahlbezirke hatten einzelne CSU-Kandidaten nach vorne gespült. Bei Untersuchungen stellt die Rechtsaufsicht fest, dass über 400 Wahlzettel in auffällig ähnlicher Weise ausgefüllt wurden, und annulliert die Wahl. Mehr als 70 000 Wähler müssen im Februar 2015 erneut abstimmen.

Nur noch ein Angeklagter: Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass Landwirt und Unternehmer Karl B. für die Wahlmanipulation verantwortlich ist. Die einzelnen CSU-Kandidaten stammten aus seinem Umfeld. Es handelt sich dabei um seine Frau, den Ex-Freund der Tochter, einen Cousin, einen Nachbarn und eine Mitarbeiterin. Die Ermittlungen ergaben, dass 423 Erntehelfer von B. Briefwahlzettel ausgefüllt hatten. Laut der Anklage war keiner von ihnen wahlberechtigt. Und, die Rumänen wählten nicht einfach eine Liste, sondern häufelten auf besagte Kandidaten. Aus den Zahlen der Häufelung erstellte das LKA ein Handschriftgutachten. Mindestens 350 der Wahlzettel waren von höchstens fünf Personen ausgefüllt worden.

So ist der Sachstand: Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft sieben Menschen im Visier. Gegen zwei, darunter B.s Frau, wurde das Verfahren vorzeitig eingestellt. Die Ermittlungsbehörde sah keinen hinreichenden Tatverdacht. Übrig blieben zunächst B. selbst und vier rumänische Erntehelfer. Die Rumänen einigten sich mit der Staatsanwaltschaft gegen eine Zahlungsauflage und eine Verlesung der geständigen Einlassungen ebenfalls auf eine Einstellung des Verfahrens. Diese Möglichkeit hatte die Staatsanwaltschaft bei Prozessbeginn im Oktober auch für B. in Erwägung gezogen. Sechs Tage später machte sie einen Rückzieher. Die Schwere der Schuld und das öffentliche Interesse an dem „deutschlandweit einzigartigen Fall“ stünden dem entgegen, erklärte Oberstaatsanwältin Christine Müller.

So lautet die Anklage: In ihren Einlassungen gaben die beschuldigten Erntehelfer an, von B. in Sachen Wahl beeinflusst worden zu sein. Er soll sie zur Stimmabgabe gedrängt und Wahlvorschläge gemacht haben. Da viele der Erntehelfer zur Zeit der Wahl nicht in Deutschland waren, soll er Unterlagen und Musterbogen per Kurier nach Rumänien gesandt haben. Die Zettel, die unausgefüllt zurückkamen, hätten er selbst und die vier mitangeklagten Rumänen ausgefüllt.Die Anklage wirft B. Wahl- und Urkundenfälschung sowie die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt und die Verleitung zur Abgabe einer falschen Versicherung vor. Zudem soll er missbräuchlich einen Doktortitel geführt haben. B. bestreitet die Vorwürfe.

So geht es weiter: Das Verfahren leitet seit einigen Wochen ein neuer Vorsitzender Richter (wir berichteten). Georg Kimmerl kam in seiner Zeit bei der Staatsanwaltschaft kurzzeitig mit dem Fall in Kontakt, das schließt ihn als Richter aus. Sein Nachfolger heißt Wolfgang Schirmbeck. Er war bisher Beisitzer des Verfahrens.Für Karl B. gilt weiter die Unschuldsvermutung. Denn ob die Erntehelfer in ihren Einlassungen die Wahrheit angegeben haben, muss erst die Beweisaufnahme zeigen. Es wird erwartet, dass sie als Zeugen geladen sind.Allerdings wurde die Zeugenliste noch nicht öffentlich gemacht, denn es ist unklar, ob es überhaupt zu einer Beweisaufnahme kommt. Eine Einstellung, also ein Verfahrensende ohne Urteil, steht nach wie vor im Raum. Zum einen, weil die Stadt Geiselhöring eine Mitschuld an der Annullierung haben könnte. Die Wahlbenachrichtigungen hatte die Kommune verschickt – offenbar ohne die Empfänger ausreichend auf ihre Wahlberechtigung zu prüfen. Richter Georg Kimmerl stufte das im Oktober als „mögliches Fehlvergehen“ ein.Zum anderen, wegen der langen Dauer des Verfahrens. Allein vier Jahre zogen sich die Ermittlungen hin. Danach wurde die Hauptverhandlung zweimal vertagt, weil der Verteidigung die Beweismitteleinsicht erschwert worden war. Mittlerweile gilt Karl B. also seit rund fünf Jahren als Beschuldigter.Das deutsche Recht wertet ein laufendes Strafverfahren als große Belastung für einen Angeklagten. Die Dauer ist deshalb beim Strafmaß zu berücksichtigen. Sprich: Je länger ein Verfahren dauert, desto milder fällt die Strafe aus. Das Gericht könnte den Aufwand einer Beweisaufnahme in Anbetracht einer gering zu erwartenden Strafe deshalb scheuen.

Schadenersatzforderungen: Die Kommunen machten zuletzt mobil. Sie wollen die Kosten für die Nachwahl von geschätzten 250 000 Euro erstattet haben. Die Stadt Bogen und der Landkreis schickten B. trotz der geltenden Unschuldsvermutung bereits zwei Zahlungsaufforderungen, die dieser ablehnte.Wie Rechtsanwalt Bernd von Heintschel-Heinegg erklärte, wollten die Kommunen damit die Verjährung hemmen und auf das Verfahren einwirken. Bei einem Urteil streben die Kommunen an, als Geschädigte berücksichtigt zu werden. Endet das Verfahren ohne Richterspruch, soll die Kostenübernahme in die Auflagen für die Einstellung aufgenommen werden. Ansonsten müssen die Gemeinden die Schuldfrage in teuren Zivilprozessen klären.

Info: Der Prozess beginnt am Freitag um 9 Uhr in Saal 104 des Landgerichts Regensburg. Die Verhandlung ist öffentlich.

Zurück